Beiträge getaggt mit Jean Améry
Michael Landmann und das Israelpseudos der Pseudolinken
Veröffentlicht von fidelche in Antisemitismus, Reaktionäre Ideologie am Dezember 18, 2013
Als das europäische Judentum in Hitlers Mordfabriken unterging, stand das Establishment ohne sich zu rühren daneben. Will die Neue Linke passiv danebenstehen — und sich dadurch mitschuldig machen —, will sie es gutheißen, wenn das Unausmalbare, aber arabischerseits täglich Angedrohte geschehen sollte und Israel untergeht? – Michael Landmann im Oktober 1970
Der am 16. Dezember 1913 in Basel geborene jüdische Philosoph Michael Landmann sympathisierte Mitte der 1960er Jahre mit der sogenannten Neuen Linken. Es war die Neue Linke die sich nach dem „Schlaf in das Sich-Abfinden mit dem Bestehenden“ eine Sensibilisierung für das Unrecht thematisierte. Die Neue Linke gab der Gegnern des Vietnamkriegs eine hörbare Stimme. Es war die mehr blochistische als marxistische Utopie die Michael Landmann ansprach. Jedoch hat die Neue Linke, wie kaum eine andere Bewegung, ihr großes Kapital sehr schnell verspielt. Die Stellungnahme der Neuen Linken zu Israel nach dem Sechstagekrieg war die „Hauptfront des Wandels“: „Israel wurde der Neuen Linken zum Schiboleth. Als bei einer Berliner Demonstration 1969 Angehörige der Außerparlamentarischen Opposition sich als Fatah-Leute verkleideten, da war der angebliche Demonstrationszug in Wahrheit ein Leichenzug, in dem eine Hoffnung zu Grabe getragen wurde.“
Die Nationalrevolutionäre von Rudi Dutschke über Bernd Rabehl bis Horst Mahler waren trotz aller internationalistischen Rhetorik weniger neu als deutsch. Um den ersehnten Schulterschluss mit den Eltern vollziehen zu können, musste die Erinnerung an Auschwitz abgewehrt werden, weil dieses „Ereignis“ die erhoffte Familienzusammenführung behinderte. „Als wollten sie Freuds These über den Wiederholungszwang von Neurotikern bestätigen, benahmen sich Vertreter der Neuen Linken bei der Abwehr dieser Erinnerung so, als würden sie von einer unsichtbaren Hand aus dem Führerbunker gelenkt. “Die Abwehr der Erinnerung an das Unsägliche, was geschah,” so hatten Max Horkheimer und Theodor Adorno 1959 geschrieben, “bedient sich eben der Motive, welche es bereiten halfen”: antisemitischer Raserei, die sich lediglich neu ausprägt“, schreiben Jan Gerber und Anja Worm im Nachwort von Michel Landmanns Essay. Diesen Zusammenhang zwischen dem Hass auf Israel und dem neulinken Bedürfnis nach der Versöhnung mit den Eltern thematisiert Michael Landmann in seinem 1971 veröffentlichten Essay.
1928 ist Michela Landmann aus der Schweiz nach Deutschland übergesiedelt. Bekannt wurde der Simmel-Herausgeber durch seine Monographie über Philosophische Anthropologie. 1951 wurde der “verspätete Aufklärer” zum Professor für Philosophie der Freien Universität Berlin berufen. Nach vielen Protesten und Gegenreden wider den antizionistischen Schriften des AStA oder des SDS erklärte Michael Landmann prophetisch, dass diese Protestbewegung zum Teil “faschistische Züge” trage. Nur fünf Jahre nach der Veröffentlichung von „Das Israelpseudos der Pseudolinken“ entführte ein Kommando aus deutschen und palästinensischen Linken, in einer durchweg faschistischen Aktion, ein Flugzeug der Air France über Athen und selektierte die jüdischen von den nichtjüdischen Insassen. Während die nichtjüdischen Passagiere freigelassen wurden, blieben die jüdischen Fluggäste unter menschenunwürdigen Bedingungen bis zur Erstürmung, während der Operation Thunderbolt in Entebbe, in der Hand der antizionistischen Entführer. Der Antiisraelismus, so schrieb Landmann bereits damals, ist die moderne Form des Antisemitismus. Im Herbst 1978 wanderte Michael Landmann, nicht zuletzt wegen dem Antisemitismus vieler seiner pseudolinken Studenten nach Israel aus, wo er am 25. Januar 1984 in Haifa starb.
Nach dem Brandanschlag am 13. Februar 1970 auf das Jüdische Altenheim München in der Reichenbachstraße 27 gaben SDS und das ISRA-CA am 17. Februar eine gemeinsame Erklärung ab, in der es hieß, der Bundesrepublik kämen solche Anschläge gelegen, „weil sie eine zusätzliche Rechtfertigung für die Unterstützung des zionistischen Staates Israel seien.“ „Links ist gleich antiisraelisch“ ist in diesen Zeiten eine unreflektierte Selbstverständlichkeit. In diesem Klima, zu einer Zeit als Deutschland und Westberlin von einer antizionistischen Krawall- und Terrorwelle überrollt wurde, veröffentlichte Michael Landmann seinen Text über das Israelpseudos der Pseudolinken.
Auf stereotype Behauptungen wie „Die Juden haben den Arabern das Land weggenommen“ macht Landmann ruhig und in gut aufklärerischer Manier unter anderem darauf aufmerksam, dass Juden das Land lange vor den Arabern bewohnten, dass zu Palästina auch das nach dem ersten Weltkrieg abgetrennte Transjordanien gehörte, was dreiviertel des Gebietes ausmachte. Vierzehn arabische Staaten dehnen sich über Gebiete von insgesamt elf Millionen Quadratkilometern aus. Das ist eine Fläche, die um eine Million Quadratkilometer größer ist als ganz Europa, die europäische Sowjetunion miteingeschlossen. Der Staat Israel war bis zum Sechstagekrieg 27.000 Quadratkilometer groß. Das sind zwei Tausendstel des enormen arabischen Raumes. Es bleiben immer noch 99,80 Prozent aller arabischen Gebiete in arabischem Besitz, von denen der größte Teil unbebaut ist. Die gängige Mythologie ist, Israel sei auf dem Boden eines arabischen Staates durch dessen gewaltsame Teilung entstanden. Aber nie gab es einen palästinensischen arabischen Staat. Palästina war, als die zionistische Besiedlung begann, eine Provinz des ottomanischen Reiches. Das bebaute Land wurde rechtlich erworben. Es war zum großen Teil türkisches Kronland, aus dem damals siebzig Prozent des Territoriums bestanden. Die arabisch-Deutschersche Behauptung, die Araber seien ausersehen worden, den Preis für die Verbrechen Europas an den Juden zu bezahlen, löst sich im Licht der Geschichte in ein Gespinst auf.
Beispielsweise gegen den Imperialismusvorwurf der Neuen Linken schreibt Landmann: „Zu einem guten Teil beruht das Israelpseudos der Pseudolinken auf der mechanischen Übertragung eines allgemeinen Denkschemas auf eine ihm unangemessene Situation. Statt den geschichtlich singulären Prozess zu analysieren, verfällt sie, so wie sie überhaupt geschichtsfremd ist, einer oberflächlichen Analogie. An der komplexen Konkretion geprüft, lösen ihre Argumente sich auf.“ Landmann belegt, dass Israel nicht mit Hilfe des “westlichen Imperialismus” entstanden ist, sondern umgekehrt gegen ihn. Der Nahostkonflikt wurde bis zum Ende des Kalten Krieges durch den Ost-West-Konflikt nur überlagert. Dem Vorurteil, im Nahen Osten stehe einem israelischen Imperialismus ein arabischer Sozialismus gegenüber, begegnet Landmann mit dem Verweis auf die sozialistischen Traditionen der Kibbuz-Bewegung, den Feudalismus in zahlreichen arabischen Staaten, die Sklaverei in Saudi-Arabien und die Begeisterung für den Nationalsozialismus in Ägypten und in der Baath-Partei. Wer die Beweise für die arabischen Vernichtungsdrohungen gegen Israel nicht sehe, so Landmann, “will sie nicht sehen”. Landmann belegt, dass der Israelfeind nicht an den Fakten interessiert ist und es ihm weder um eine Analyse noch um eine Lösung des Nahostkonfliktes gehe. Unter den Motiven, die die Neue Linke an die Seite der Palästinenser treiben, ist das antiimperialistische zwar das hervorstechendste, aber nicht das einzige. Von der “Europamüdigkeit“ bis zur „Geschichtsfremdheit” reichen die begründeten Vorwürfe Landmanns an die Pseudolinke. „Bis zum Sechstagekrieg erschienen die Israelis als die underdogs, die man verteidigen muss. Nach ihrem Sieg verlagert sich das natürliche Mitgefühl auf die Unterlegenen. – Dieses Mitgefühl ist kurzsichtig. Israel kann Schlachten gewinnen, aber nicht verhindern, dass die Araber erneut gegen es rüsten. Je mehr sie sich modernisieren, um so mehr wird ihre zahlenmäßige Überlegenheit ins Gewicht fallen. Sie empfangen große Waffenlieferungen nicht nur des Ostens. Während Israels Siege nur Waffensiege sind, die die Existenz der arabischen Staaten und Völker nicht bedrohen, wäre der arabische Sieg eine Staats- und Volksvernichtung“, so Landmann.
Im zweiten Teil seines Essays geht Michael Landmann auf die haltlosen Vorwürfe der trotzkistischen Flugschrift „Der israelisch-arabische Konflikt“ des Trotzki-Biografen Isaac Deutscher ein. Zum Sechstagekrieg schreibt Landmann beispielshalber: „In arabischen Ländern blüht der Antisemitismus, von dem uns seit Hitler noch in Erinnerung blieb, dass er nicht nur eine “Weltanschauung” ist, sondern ein kompaktes Ziel zu verwirklichen sucht. Die Araber erklären dem Fremden gern, sie seien Gegner nur des Staates Israel, nicht der Juden. Die Tatsachen sprechen eine andere Sprache. Hitlers Saat ist noch einmal aufgegangen. Seine Massenvernichtung der Juden findet in Literatur und Presse überall beredte Verteidiger, während andererseits Nasser in einem Interview mit der Deutschen National- und Soldatenzeitung sagte, “niemand nimmt die Lüge von den sechs Millionen ermordeten Juden ernst”. Nicht umsonst gingen Hunderte ehemaliger Nazis nach Ägypten. Araber vertreten die Authentizität der “Protokolle der Weisen von Zion”, die einst zu den russischen Pogromen führten und auch von Hitler benutzt wurden. Wie bisher nur im Dritten Reich, gibt es von ihnen in Ägypten eine offizielle Ausgabe, und auch in Auszügen, in Radiosendungen und Lehrbüchern werden sie wiedergegeben. Das Ritualmordmärchen wird wieder ausgegraben. Am 24. April 1970 strahlte der Sender der Palästinensischen Befreiungsfront von Kairo her die Nachricht aus, die Juden hätten in Gaza – die Bevölkerung sei Zeuge – arabischen Kindern die Kehle durchschnitten, um aus dem Blut Mazze herzustellen. (…)
Immer ist es die Methode des Faschismus, angestaute Aggressionstriebe innerhalb eines Volkes auf einen “Volksfeind” nach außen umzuadressieren. Wie der Antisemitismus unter Hitler dazu diente, Widersprüche des Systems zu überspielen, so dient der arabische Antiisraelismus dem gleichen Zweck. Wie er die unter sich zerstrittenen arabischen Staaten aneinander bindet, so bindet er die arabischen Massen gegen ihr eigenes Interesse an ihre Feudalherren und Militäroligarchien. Er blockiert damit auf faschistische Weise die Inangriffnahme der in den arabischen Staaten überfälligen Reformen: Kanonen statt Sozialismus. Da anderseits die Ungelöstheit ihrer eigenen Probleme verdrängt auf den arabischen Völkern lastet und sie zugleich in Israel einen effizienten progressiven Staat vor sich sehen, der für sie einen beständigen Vorwurf bedeutet, steigert sich der Haß gegen Israel zu doppelter Virulenz. Inversiv wird es rückständig, imperialistisch, rassistisch etc. genannt, während die wahre Fortschrittlichkeit erst von einem arabischen Palästina zu erwarten sei. Dass sich in den arabischen Staaten dieser massenpsychologische faschistische Mechanismus abspielt, ist, da auch so viel höher entwickelte europäische Staaten ihm verfielen, vielleicht nicht zu verwundern. Zu verwundern aber ist, dass die zuverlässig antifaschistische Neue Linke diesen Mechanismus nicht durchschaut und dass sie als Ausdruck von Sozialismus nimmt, was in Wahrheit mit zu dem Zweck erfunden wurde, Sozialismus zu hintertreiben. Im Unterschied zu einer breiten Strömung im arabischen Lager ist die Neue Linke nicht antisemitisch. Die Israelgegner in ihr sind “nur” gegen Israel. Aber an Israel haftet, nachdem die Religion als Bindeglied schwächer wird, heute die Identität des Judentums. Wird Israel morgen zerstört, so gibt es übermorgen kein Judentum mehr. Der Antiisraelismus, der sich durch die Abwehr des Antisemitismus als honorig darstellen möchte, ist daher diesem nicht so unähnlich, wie er glaubt. Er bildet die moderne Form des Antisemitismus. Er hat die Stelle erspäht, an der er das Judentum als Ganzes tödlich treffen kann. (…)
Der Wille zur Ausradierung Israels ist die Konstante der arabischen Politik. Es besteht keinerlei Grund, die Ernsthaftigkeit des tausendmal Proklamierten herunterzuspielen. Hier nur wenige repräsentative Äußerungen Nassers: “Unser Ziel ist die Schaffung eines vereinten und ununterbrochenen arabischen Raumes, in welchem Israel ausgemerzt sein wird”. (Botschaft an die arabische Studentenversammlung, London, 15. Mai 1965) “Das nationale arabische Endziel ist die Ausrottung Israels”. (Gemeinsames Kommunique mit dem Präsidenten des Irak, 25. Mai 1965) “Unser Ziel ist die Vernichtung des israelischen Staates”. (Rede in Kairo, 18. November 1965) “Die Existenz Israels an sich ist Aggression.” (Pressekonferenz Kairo, 28. Mai 1967) Aber auch der “gemäßigte” Hussein ließ eine Briefmarke drucken, die ein hashemitisches Königreich bis zum Mittelmeer zeigt, in dem Israel nicht mehr existiert. Das ägyptische Artilleriefeuer, sagte der Korrespondent des Beiruter Daily Al-Muharrer, tönt “wie Mozarts (!) Neunte Symphonie”.
Beim Staatsmord allein soll es aber nicht bleiben. Ihm soll ein Volksmord hinzugefügt werden. Der unversöhnliche Hass gegen Israel richtet sich auch gegen die Israelis und konvergiert so mit dem Vernichtungsantisemitismus. “Der Hass, den wir unsern Kindern einprägen, ist ein heiliger Hass”, sagte der syrische Unterrichtsminister. Eine UNESCO-Kommission begutachtete arabische Schulbücher: sie empfahl die Rücknahme von acht und die Änderung von 59 Ausgaben. In vielen von ihnen wird die Sprache des internationalen Antisemitismus geführt. In einem Rechenbuch entdeckte sie die Aufgabe: “Du tötest von 10 israelischen Kindern 4, wie viel bleiben dann noch?”. (..)
Was die arabischen Staaten irgend tun konnten, um ihre Drohungen in die Tat umzusetzen, haben sie getan. Sie fielen am Tage nach seiner Gründung von allen Seiten über den jungen Staat her. Zurückgeschlagen, verhängten sie den Wirtschaftsboykott, durch den Israel erdrosselt werden sollte. Es kam zur Sperrung des Suezkanals für israelische Schiffe und zu dem Plan, das für Israel lebenswichtige Jordanwasser abzuleiten und großenteils ungenutzt versickern zu lassen.
Auch die arabischen Dispositionen im Mai/Juni 1967 waren nicht nur defensiv: das lässt sich anhand erbeuteter militärischer Befehle beweisen. Nach der Erneuerung der Blockade der Meerenge von Tiran, womit er ein internationales Abkommen umstieß, erklärte Nasser am 20. Mai im Radio Kairo: “Mit der Schließung des Golfes von Akaba steht Israel zwei Alternativen gegenüber, von denen jede es zerstören wird. Es wird entweder zu Tode gewürgt durch die arabische ökonomische Blockade, oder es wird vernichtet werden unter dem Feuer der arabischen militärischen Kräfte.” Am 24. Mai sekundierte die Kairoer Tageszeitung Al Ahram: “Israel wird die Schließung der Meeresstraße nicht hinnehmen, deshalb kann der Krieg jeden Augenblick ausbrechen.” Nasser am 26. Mai: “Es wird sich diesmal um einen totalen Krieg handeln und unser Ziel ist die Vernichtung Israels.” Er verkündete eine allgemeine Mobilmachung und brachte seine Armeen in Sinai bis auf sechzig Kilometer an Tel Aviv heran. Er errichtete ein einheitliches Militärkommando mit Syrien, Jordanien und anderen arabischen Staaten, die ebenfalls ihre Truppen entlang den Grenzen mit Israel zusammenzogen. Zusammen wurden Hunderttausende von Soldaten, weit über tausend Panzer, tausend Kampfflugzeuge um den leicht verletzbaren Staat Israel – Husseins Kanonen standen nur fünfzehn Kilometer von Tel Aviv – konzentriert. Die Syrer verstärkten ihr Artilleriefeuer auf landwirtschaftliche Siedlungen im Jordantal. Die von ihnen organisierten Terrorakte wurden täglich tödlicher. Der ganzen Welt wurde mitgeteilt, dass die Auslöschung des jüdischen Staates unmittelbar bevorstünde. Die jordanische Armee gab Anweisungen, sämtliche Einwohner eroberter Ortschaften auszurotten.
Wie kann Deutscher es wagen, angesichts dieser unverhüllten und auf Eroberung gerichteten Einkreisungsstrategie der Nachbarstaaten von der “Aggressivität” Israels zu sprechen? Hätte Israel sich damals nicht verteidigt, so existierte es nicht mehr. Die Redeweise vom israelischen “Aggressor” ist eine arabisch-sowjetische Gemeinschaftslüge, nach dem Rezept gefertigt, dass Lügen ein gewisses Größenmaß überschreiten müssen, um dann wieder Gehör zu finden. Die Sowjetunion widerspricht sich selbst, denn 1956 legte sie einem Sonderausschuss der UNO folgende Definition vor: “In einem internationalen Konflikt wird der Staat als Angreifer erklärt, der als erster folgende Taten ausführt: … Unterstützung von bewaffneten Banden, die aus seinem eigenen Territorium organisiert wurden und die in das Territorium eines andern Staates eindringen.” Die Lüge ist aber sowohl bei Arabern wie Russen wie auch bei de Gaulle, der sich ihr anschloss, wenigstens eine politisch motivierte Lüge. Es blieb der Neuen Linken vorbehalten, sie als höhere Wahrheit für Eingeweihte anzubieten. Was dort erklärlich und aus der Perspektive des Handelnden gerechtfertigt sein mag, erfüllt hier nur den Tatbestand der böswilligen Verleumdung.
Wie kann Deutscher dafür, dass ein rings umstelltes und mit Extermination konfrontiertes Volk in seiner Not und um zu überleben zu den Waffen greift, Worte gebrauchen wie “jener Wahnsinn aus Kampfeslust, Arroganz und Fanatismus”? Zieht man so mit erhobenem Zeigefinger, kontemplativ und besserwisserisch neben der Geschichte stehend, über Menschen her, die in einer absoluten Situation standen und keine andere Wahl hatten? Dies ist die Methode der Mesquinen, dem, dessen Nase einem nicht gefällt, Ehre und Ruf abzuschneiden, ihn zu diffamieren und der Lächerlichkeit preiszugeben. Ressentiment rächt sich an der Leistung, indem es sie entwertet und verzerrt. Notwehr heißt dann “Wahnsinn”, das Sich-Befreien aus tödlicher Umklammerung “Kampfeslust”. Mit “Arroganz und Fanatismus stießen die Israelis vor”: etwa so wie die Nazis in die Ukraine? Hätten sie sich untätig ermorden lassen sollen? War es ein Verbrechen, dass sie gewannen? Offenbar hätte Deutscher ihre Niederlage lieber gesehen und kann ihnen den Sieg nicht verzeihen.“ (…)
Nach über vierzig Jahren hat die Schrift Michael Landmanns nichts von seiner Aktualität verloren. So gut wie jede Verteidigungsaktion Israels wird heutzutage von deutschen Antizionisten abgelehnt und so gut wie jede Terroraktion der Palästinenser und ihrer Verbündeten von Pseudolinken ignoriert, verharmlost, relativiert oder begrüßt. Moderne Antisemiten gedenken jedes Jahr der Reichspogromnacht und polieren Stolpersteine von ermordeten Juden um gleichzeitig für das Recht des Irans auf atomare Bewaffnung einzutreten und jüdische Produkte aus Israel zu boykottieren. Es bleibt nach wie vor das Rätsel unserer Zeit wie sich Pseudolinke für die Gleichberechtigung der Frau in Europa einsetzen können um gleichzeitig die frauenverachtende Politik in den arabischen Staaten zu beschweigen, wie es Pseudolinke schaffen den demokratischen Staat Israel, die Insel der Aufklärung im Nahen Osten, zu delegitimieren und zu dämonisieren um gleichzeitig die islamfaschistische Ideologie, sowie die menschenverachtenden und antisemitisch motivierten Mordtaten von Hamas, Hisbollah und anderer arabischer Terrorregierungen zu verharmlosen oder gar gutzuheißen. Es kann nur als eine ideologische Verwahrlosung bezeichnet werden wenn Pseudolinke den alten „Antiimperialismus“ auf die islamistischen Bewegungen und Regimes übertragen, denn der Islamismus steht gegen alles, wofür eine emanzipatorische Linke jemals eingetreten ist.
Die pseudolinken antizionistischen Studenten der sechziger und siebziger Jahre sind inzwischen, wie es Michael Landmann bereits vor über 40 Jahren befürchtete, “als Lehrer, Publizisten und als Beamte in maßgeblichen Stellungen Multiplikationen”. Der antiisraelische Furor ist längst im politischen Mainstream angekommen in dem die Unterscheidung zwischen “links” und “rechts” kaum noch getroffen werden kann. Um die einschlägigen antizionistischen Vorurteile und Ressentiments zu lesen, muss man nicht unbedingt ein nationalbolschewistisches, antizionistisches Wochenblatt abonnieren, es genügt die Süddeutsche Zeitung aufzuschlagen, einer Debatte im Bundestag über den Nahostkonflikt zu lauschen oder einen Bericht über Israel in 3sat zu sehen.
Michael Landmann gebührt mit Jean Améry das Verdienst bereits vor über vierzig Jahren aus linker Perspektive die ideologische Verwahrlosung dieser Pseudolinken geächtet zu haben. Die Erkenntnisresistenz von Antizionisten und ihren Verteidigern ist mittlerweile sprichwörtlich, so dass die Idee der Emanzipation nur gegen diese Kreise durchgesetzt werden kann. Mit Michael Landmann ist abschließend zu konstatieren: Argumente, die von einer Vernichtungsankündigung begleitet werden, sind keine Argumente. Wer das Gespräch damit eröffnet, dass es in Liquidierung enden soll, ist kein Partner. Indem sich „linke Israelkritiker“ mit denen identifizieren, die Israel liquidieren wollen, stiften diese Pseudolinken eine Situation, die keinerlei Gespräch mehr aufkommen lässt.
Quelle: Michael Landmann – Das Israelpseudos der Pseudolinken – Herausgegeben von Jan Gerber und Anja Worm für die » Materialien zur Aufklärung und Kritik« – ça ira Verlag – Oktober 2013, 148 Seiten („Das Israelpseudos der Pseudolinken“ erschien zuerst 1971 im Colloquium-Verlag in Berlin)
Erstveröffentlichung am 17. November 2013 in Mission Impossible
Theodor Herzl und der „ehrbare“ Antizionismus
Veröffentlicht von fidelche in Antisemitismus, Antizionismus am Dezember 26, 2012
Im Jahre 1895 begann Theodor Herzl (1860-1904) mit den Vorarbeiten zu seiner programmatischen Schrift „Der Judenstaat – Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage“. Die Dreyfus-Affäre in Frankreich und der dadurch sichtbar werdende Antisemitismus, die Wahl des offenen Antisemiten Karl Lueger zum Wiener Bürgermeister und die Entwicklungen in Deutschland gelten als entscheidende Gründe dafür, dass Theodor Herzl den Zionismus entwickelte. In einem Brief an Albert Rothschild schreibt Herzl: „Ich versuche dem Antisemitismus dort beizukommen, wo er entstanden ist und wo er noch seinen Hauptsitz hat: in Deutschland. Ich halte die Judenfrage für äußerst ernst. Wer glaubt, dass die Judenhetze eine vorübergehende Mode sei, irrt schwer.“ Die Judenpogrome in Russland zwischen 1903 und 1906 mit mehr als zweitausend ermordeter russische Juden, die vielen weltweiten antisemitischen Schriften, die Judenverfolgung in Deutschland und der Holocaust betätigten die Weitsicht Theodor Herzls. Der Zionismus ist deshalb zweifellos die Reaktion auf den seit Jahrhunderten bis zu unserer Zeit herrschenden Antisemitismus.
1897 versammelten sich die jüdischen Delegierten der unterschiedlichen zionistischen Strömungen zu einem Kongress in Basel und verabschiedeten ihr Programm, einleitend mit dem Satz: „Der Zionismus erstrebt für das jüdische Volk die Schaffung einer öffentlich rechtlichen Heimstätte in Palästina.“ Innerhalb der zionistischen Bewegung gab es verschiedene Strömungen und Richtungsstreitigkeiten. Ab 1900 entwickelte sich vor allem von Russland aus ein sozialistischer Zionismus, der später die Gründerjahre Israels mit seiner Kibbuz- und Arbeiterbewegung prägte. Anfang des 19. Jahrhunderts lebten knapp 300.000 Menschen, inklusive dem alten jüdischen Jischuw im unterbevölkerten und wirtschaftlich stagnierenden Palästina. Nach antijüdischen Pogromen in Russland kam es ab 1881 zur ersten Alijah mit circa 70.000 jüdischen Immigranten nach Palästina. 1923 teilten die Briten das Land „Palästina“ in zwei administrative Zonen. Der arabisch-palästinensische Staat Transjordanien, knapp 80 Prozent der Landfläche Palästinas, das heutige Jordanien, wurde abgetrennt. In Jordanien dürfen sich bis heute keine Juden niederlassen. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts waren antisemitische Übergriffe in Palästina keine Seltenheit. Nach arabischen antijüdischen Pogromen wurde die Hagana, eine zionistische Organisation zum Schutz für die jüdische Zivilbevölkerung gegründet. Wegen ihrer moderaten Haltung spaltete sich 1931 die rechte Gruppe Irgun ab und beantwortete Terror mit Gegenterror. Beispielsweise während des „Hebron-Massakers“ am 23. August 1929, das unter dem Zeichen des muslimischen Schlachtrufs, „das Gesetz Mohammads wird mit dem Schwert durchgesetzt“ stand, kamen 67 jüdische Zivilisten ums Leben. In Safed wurden zur selben Zeit 45 Juden ermordet, insgesamt wurde durch das vom Großmufti von Jerusalem, Amin al-Husseini, dem unumschränkten Führer der „Palästinenser“, inszenierte Blutvergießen in diesen Tagen 133 Juden ermordet und 339 verletzt. Während Hagana, Irgun, Palmach, die jüdische Brigade und alle anderen zionistischen Organisationen auf der Seite der Alliierten gegen Nazideutschland kämpften, kollaborierten der Mufti von Jerusalem und seine Kämpfer mit Hitler und seiner Ideologie.
1948 war das Ziel Theodor Herzls erreicht, der Judenstaat Israel war gegründet. Endlich existierte ein Land in dem Jüdinnen und Juden nicht länger der Verfolgung ausgesetzt waren. Für die meisten Juden kam diese Rettung allerdings zu spät. Millionen Menschen konnten dem europäischen Antisemitismus, den der deutsche Nationalsozialismus in Auschwitz in ein Vernichtungsprogramm umwandelte, nicht entkommen. Die arabischen antizionistischen Nachbarn akzeptierten freilich das Existenzrecht Israels nicht und überfielen, vereinigt mit ehemaligen, geflohenen deutschen Nazis den neugegründeten Staat der Juden. Dieser vom Antisemitismus geprägte Krieg gegen Israel hält bis heute an. Für jeden Juden in der Welt, so Jean Améry, ist der Bestand des kleinen Judenstaates eine existentielle Frage, denn in Israel haben die Juden, den „aufrechten Gang“ gelernt und wenn es einen Staat gibt der ein Existenzrecht besitzt, dann heißt dieser Staat Israel. Jean Améry war in den 1970er Jahren einer der ersten der linken Antisemitismus, also Antizionismus entschieden bekämpfte.
Nach 1945 konnte Antisemitismus, zumindest in Europa nicht mehr offen artikuliert werden, so brach sich ein vermeintlich ehrbarer Antizionismus die Bahn. „Die Definition des Antizionismus ist ziemlich einfach. Antizionismus ist die Überzeugung, dass jedes Volk der Welt das Recht auf einen eigenen und souveränen Nationalstaat hat, mit Ausnahme des jüdischen. Der Antizionismus ist kein Antinationalismus, sondern eben allein und ausschließlich gegen den jüdischen Nationalismus gerichtet“, schreibt Felix Bartels in seinem lesenswerten Artikel „Nahost! Nahost! oder Zur Romantik des Weltfriedens“. Antizionisten engagieren sich selbstverständlich nicht für die Abschaffung der Nationalstaaten Deutschlands, Frankreichs der Türkei oder gar Irans oder Syriens. Andererseits und des Weiteren sehr inkonsequent ist den meisten Antizionisten der antisemitische Nationalismus der palästinensischen Blut und Boden-Bewegungen von Hamas bis Fatah eine Herzensangelegenheit. Antizionisten macht es fassungslos, dass den zweiundzwanzig bestehenden arabischen Nationalstaaten ein jüdischer von der Größe Hessens, also 1,5 Promille der Fläche der Staaten der Arabischen Liga hinzugefügt wurde. Während es für die meisten Antizionisten feststeht, dass Juden weder ein Volk noch eine Nation sind, reden sie von den Palästinensern beinahe ausschließlich und pathetisch vom „Recht auf Boden“ für das „palästinensische Volk“. In der antizionistischen Propaganda sind es nicht die Menschen die befreit werden müssen, sondern vielmehr der palästinensische Boden, der von den ungläubigen Juden „gereinigt“ werden müsse.
Antizionismus richtet sich von daher nicht im Allgemeinen gegen Rassismus, Nationalismus, Faschismus, Militarismus und Imperialismus, sondern ausdrücklich und exklusiv gegen Zionismus. Antizionisten verurteilen in ihrem Ressentiment den Zionismus als Rassismus. Hingegen ist der Umstand, dass in Jordanien laut jordanischer Verfassung bis heute keine Juden leben dürfen, für sie kein Grund verbal zu intervenieren. Der antizionistisch, islamisch dominierte Menschenrechtsrat der UN lässt beispielsweise keine Kritik an der menschenverachtenden Gesetzgebung der Scharia zu, denn Kritik an der Scharia ist Kritik an der islamischen Religion und damit Rassismus.
Viele Antizionisten haben ein verkürztes und oberflächliches Verständnis von Imperialismus und Kapitalismus. Der Nationalsozialismus wird in diesen Kreisen meist darauf reduziert eine besonders abscheuliche, von den aggressivsten Fraktionen der Bourgeoisie dominierte Form von Klassenherrschaft zu sein. Die Frage an Antizionisten ob ihre Kollaboration mit diversen Diktatoren, völkischen Nationalisten und Antisemiten nicht irgendwie ein ungutes Gefühl bei ihnen hervorrufe, wird so gut wie nie von ihnen beantwortet.
Einer der eifrigsten Antizionisten war der Nazi-Ideologe Alfred Rosenberg. In seinen Büchern „Der staatsfeindliche Zionismus“ (1922), „Der Weltverschwörerprozeß zu Basel“ (1927) oder „Die Protokole der Weisen von Zion und die jüdische Weltpolitk“ legte er größtenteils die Grundlagen für den aktuellen Antizionismus. Bekanntlich exportierte Nazideutschland seinen speziellen Antisemitismus ab 1935 in die arabische Welt. Der sogenannte arabische Aufstand in Palästina wurde von Nazideutschland finanziert. Die palästinensische Nationalbewegung hat von daher seine Wurzeln im Antizionismus der deutschen Nationalsozialisten. Die antisemitische Weltanschauung der palästinensischen Nationalbewegung begründet sich auf Amin al-Husaini. Spätestens seit 1929 war der Großmufti von Jerusalem der „politische Führer der Palästinenser“ und damit Gründervater der palästinensischen Nationalbewegung. „Tötet die Juden, wo immer ihr sie findet […]“ rief der Mufti über die deutsche Sendeanstalt in Berlin am 1.3.1944 nicht zum ersten und einzigen Male seinen muslimischen Glaubensbrüdern zu.
Die meisten deutschen Antizionisten leugnen freilich jede ideologische Gemeinsamkeit mit Alfred Rosenberg oder Amin al-Husaini, wie Antizionisten sich auch nicht oder kaum mit dem arabischen Antisemitismus auseinandersetzen möchten. Deutsche Antizionisten sind anfällig für die spezifischen Zwänge des deutschen Nationalismus, ihre Weigerung sich mit der belasteten Vergangenheit auseinanderzusetzen ist ebenso sprichwörtlich wie ihr manichäisches Weltbild des Antiimperialismus. Antizionisten sind zumeist außerstande ihr eigenes Bedürfnis nach kollektiver und damit potentiell nationaler Identität zu reflektieren. Sie haben gelernt, von wem und aus welchen Gründen auch immer, dass die USA und Israel für alles Unheil dieser Welt verantwortlich und dass selbstverständlich die Juden selbst schuld am Antisemitismus in ihrer Region sind.
So gut wie alle Antizionisten fordern die „Einstaatenlösung“ für Palästina, weil sie wissen, dass die Juden durch den demographischen Faktor in wenigen Jahren, sollten sie bis dahin überlebt haben, zu Dhimmis degradiert werden würden, weshalb es auch nicht weiter verwundert, dass Antizionisten ein „Rückkehrrecht“ für Palästinenser nach Israel fordern obwohl die nie in Israel gelebt haben. Der deutsche Antizionist Wilfried Böse selektierte, nachdem er mit anderen Antizionisten ein französisches Flugzeug entführte, 1976 in Entebbe Juden von Nichtjuden. Wilfried Böse war der Auffassung, „er sei kein Nazi, er sei Idealist, er bereite die Weltrevolution vor“. Für Antizionisten ist eine Welt ohne Israel das erstrebenswerteste Ziel aller Ziele.
Groteskerweise gibt es auch antizionistische Juden. Für einige ultra-orthodoxe Juden ist die gegen den Willen Gottes vollzogene Staatsgründung Israels eine Gotteslästerung. Diese jüdischen Antizionisten pflegen am israelischen Unabhängigkeitstag schwarze Fahnen als Zeichen der Trauer aus ihren Fenstern zu hängen, obwohl es auch immer wieder in ihren Vierteln zu arabischen Anschlägen gegen Juden kam. In Beit Yisrael einem Stadtviertel von Jerusalem leben beinahe ausschließlich strenggläubige jüdische Antizionisten. Am 2. März 2002 verübten die Al Aksa-Brigaden der Fatah ganz bewusst einen Selbstmordanschlag gegen antizionistische Juden in Beit Yisrael, wobei zehn Juden, darunter Kinder und Säuglinge getötet und weitere dreißig teilweise schwer verletzt wurden. In Ramallah zogen daraufhin hunderte von Palästinensern feiernd und siegestrunken auf die Straßen. Die Angriffe und antisemitischen Morde von Beit Yisrael belegen die feindliche Haltung dieser Palästinenser gegenüber allen Juden, egal ob sie nun Antizionisten oder Zionisten sind.
Antizionisten sind erschüttert wenn in Hebron einem palästinensischen Steinewerfer ein Arm gebrochen wird oder die israelische Armee auf tausendfachen Raketenbeschuss der Hamas militärisch reagiert. Als letzte Woche das syrische Militär ein palästinensisches Flüchtlingslager bombardierte und 25 Tote Palästinenser hinterließ oder als 1982 Assad in der syrischen Stadt Hama einen Aufstand der Muslimbrüder durch Artellerie und Bomben mit fünfzehntausend Toten niederschlug war von fassungslosen Protesten der Antizionisten nichts zu hören, denn wie der Name schon sagt, Antizionisten sind auf Israel fokussiert.Inwieweit sekundärer Antisemitismus bei deutschen Antizionisten mit eine Rolle spielt ist nicht einfach zu beweisen, außer wenn sie wie Norman Paech es ausdrückte „wegen dem Leid der Palästinenser aus dem ‚Schatten Hitlers‘ heraustreten dürfen“.
Felix Bartels meint nicht zu Unrecht: „Ein vernunftbegabter Mensch redet mit Antizionisten wie der Arzt mit seinen Patienten. Es ist mehr ein Reden zum Zwecke der Anschauung. Die eigentliche Überlegung findet später statt. Übrigens ist es ethisch durchaus vertretbar, Antizionisten, wenn man schon mit ihnen redet, auf eine Couch zu setzen und Geld nach Stunden zu nehmen.“
Das Problem dabei ist nur, dass der antizionistische Wahnsinn nicht in kleinen Zirkeln stattfindet, sondern längst in der Mehrheitsgesellschaft angekommen ist, wie folgende Umfrageergebnisse zeigen: Das Meinungsforschungsinstitut EOS Gallup Europe hatte im Auftrag der EU-Kommission 2003 eine Umfrage durchgeführt. In Deutschland hielten 65 Prozent der Befragten Israel für „die größte Gefahr für den Weltfrieden“. In einer weiteren EU-Umfrage 2004 erklärten über die Hälfte der Bundesbürger: „Was der Staat Israel heute mit den Palästinensern macht, ist im Prinzip auch nichts anderes als das, was die Nazis im Dritten Reich mit den Juden gemacht haben.“ 2007 positionierten sich laut einer BBC-Umfrage 77 % der Deutschen eindeutig negativ gegenüber Israel das jeden Deutschen und Österreicher alleine durch seine Existenz an Auschwitz und Majdanek, an Treblinka und Sobibor erinnert. Laut einer Studie aus dem Jahre 2011 der Fakultät für Erziehungswissenschaft am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung ärgerten sich 63 % der Deutschen im Jahre 2008 darüber, dass ihnen die Verbrechen der Nazis noch heute vorgehalten würden und 57.3 % der Deutschen waren im Jahr 2010 der Meinung, dass Israel einen Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser führe. Die Mehrheit der Deutschen steht hinter dem „Gedicht von Grass. Laut FTD-Umfrage halten 57% der Deutschen die Israel-Thesen von Günter Grass für richtig und 27% für diskutabel. 84 % ist eine klare Mehrheit.
Israel ist ein kapitalistischer Staat, mit allen Fehlern die kapitalistische Staaten nur haben können, angefangen von sozialer Ungerechtigkeit bis zu dem zu großen Einfluss der Religion auf die Politik. Trotz alledem ist Israel die Insel der Aufklärung im Nahen Osten. Israel ist das Land das den verfolgten Juden dieser Welt Zuflucht gewährt. Nach der riskanten aber erfolgreichen Geiselbefreiung von Entebbe sagte einer der Organisatoren Moshe “Muki” Betser: „Ich sehe in Entebbe das Wesen des Zionismus“, hätten wir vor dem Zweiten Weltkrieg einen Staat und eine Armee gehabt, hätte es den Holocaust in Deutschland so nicht gegeben.“ Seit seiner Gründung sammeln sich die feindlichen Armeen und Terroristen um Israel und selbst die zügellosesten Stimmen aus den arabischen Ländern werden von der Weltgemeinschaft ignoriert.
Eines steht fest: Der Antizionismus ist ein von Grund auf reaktionäres Phänomen, er ist die eine Seite einer irrationalen Medaille, die andere Seite heißt Antisemitismus. Es scheint aktuell so zu sein als ob die Welt vorbereitet werden müsse, weil die Welt es so will, auf das zu bereitende Auschwitz II am Mittelmeer.
Quellen: Felix Bartels -Nahost! Nahost! oder Zur Romantik des Weltfriedens | Alexandra Kurth – Insel der Aufklärung, Israel im Kontext | Karl Selent – Ein Gläschen Yarden-Wein auf den israelischen Golan | Jean Amèry – Zwischen Vietnam und Israel | Leon Poliakov – Vom Antizionismus zum Antisemitismus
Was ist (heute) „links“?
Veröffentlicht von fidelche in Die Linke, Israel, Jean Améry am November 8, 2010
Nach der französischen Revolution wählte sich Frankreich eine Gesetzgebende Versammlung, in der ganz rechts die Monarchisten saßen, während die republikanischen Jakobiner mit diesen nichts zu tun haben wollten und deshalb die Plätze ganz links einnahmen. Die Politik der Jakobiner war für das einfache Volk, für Arbeiter und Kleinbürger, sie waren gegen den Krieg und forderten den Verkauf der Nationalgüter, wollten ein geeintes, zentralistisches Frankreich und Planwirtschaft. Seit der Zeit kümmern sich „Linke“ um Dinge, die sie nichts angehen. Viele „Linke“, so auch ich, sind der Meinung, dass Menschen die dies nicht tun, die Achtung vor sich selbst verlieren müssten, dass sie moralisch Selbstmord begehen. „Links“ ist deshalb, wo das Herz ist. Das Eintreten für eine sozial gerechtere Gesellschaft, gegen die Herrschaft von Menschen über Menschen, für die Gleichberechtigung der Geschlechter, für die Gleichberechtigung der Nationen inklusive einer gerechteren Verteilung des Reichtums, gegen Krieg, gegen Diskriminierung von Minderheiten, gegen den Aberglauben der Religionen und gegen Antisemitismus stand damals und steht heute auf der Agenda der „Linken“. Die Geschichte der“ Linken“ weist einige „dunkle Schatten“ auf. Die Spaltung der Arbeiterklasse in SPD und KPD wegen der „Burgfriedenspolitik“, das Querfrontdenken der KPD in den 30er Jahren, die stalinistischen Säuberungen in der Sowjetunion bis in die 50er Jahre, die Fehler der Regierenden in der DDR bis zum heutigen linken Antisemitismus sind trauriger Beleg für die vielen Irrtümer und Verbrechen von „Linken“. Die Fehler müssen teilweise, im Kontext ihrer Zeit gesehen, sollten trotzdem nicht entschuldigt werden. Die rote Armee befreite das KZ Auschwitz, die Überlebenden der NS- Konzentrationslager waren die ersten Regierenden der neu entstandenen Staaten Israel und DDR. Das Blockdenken des „Kalten Krieges“ brachte unheimliche Allianzen, die aus rein pragmatischen Gründen geboten waren. Seit der Zeit der Jakobiner spaltete sich die „Linke“ mehrfach in reformistische, radikalere und esoterische Gruppierungen, so gab und gibt es innerhalb und außerhalb der parteipolitischen und gewerkschaftlichen Gruppierungen viele abstruse Ansichten, angefangen von kleinbürgerlichen Rassisten, nationalen Stalinisten, Eugenikern, Sozialdarwinisten, Esoterikern, Anthroposophen, religiös motivierten Antisemiten bis zu den „linken“ Antizionisten. Diese Kräfte befinden sich im Wettstreit mit ihren aufgeklärten, humanistischen, antinationalistischen Gegenspielern. Im Folgenden versuche ich, fragmentarisch darzulegen, was für mich linke Positionen sind und welche Positionen mit „linkem Denken“ unvereinbar sind:
1) „Links“ ist – sich jederzeit selbst hinterfragend der Aufklärung, verpflichtet zu fühlen, dabei für den nachhaltigen Fortschritt seiner Umgebung/Gesellschaft einzutreten. Die Aufklärung richtete sich zuerst gegen die christliche Religion, denn Wissen sollte Glauben ablösen. Karl Marx schreibt: „Die Kritik der Religion ist die Voraussetzung aller Kritik“. Gott wurde vom Menschen erschaffen und nicht umgekehrt. Religion ist Ideologie, sie ist falsches Bewusstsein, sie lenkt als „Opium des Volks“ die Menschen von ihren existenziellen Problemen ab, mit ihrer Hilfe werden Menschen von herrschenden Despoten unterdrückt. Die Menschen sind also keinem Gott verantwortlich, der Mensch ist nach „linkem“ Weltbild dem Menschen verantwortlich, nicht nur für seine Individualität, sondern er ist verantwortlich für alle Menschen. Eine „Linke“ kann daher niemals strategisch, gemeinsam mit christlichen Kirchen oder islamischen Gruppierungen gegen fundamentale Missstände vorgehen. Die Trennung von Staat und Kirche ist eine unveränderliche „linke“ Forderung. Frauenunterdrückung, mit ihren sichtbaren Symbolen wie die erzwungene Verschleierung von Frauen durch Burka, Niqab oder Kopftuch, wie sie in islamischen Gesellschaften am extremsten zu Ausdruck kommt, kann von „Linken“, die sich der Emanzipation verschreiben, nicht toleriert werden. “Jedes Stückchen Emanzipation der Menschheit, noch das bescheidenste, ist nicht mit, sondern gegen Religion und Kirche erkämpft worden. Und schlichtester Anstand müßte es verbieten, einer religiösen Organisation, deren Geschichte eine einzige breite Blutspur zeichnet, den Gebrauch des Wortes »Menschenrecht« anders zu quittieren als mit Hohnlachen oder einem Schlag auf die Pappn. Geschieht das? Keineswegs: Nicht die Propheten und Mitläufer des Aberglaubens haben zu beweisen, daß sie, obwohl Christen, ansonsten einigermaßen anständige Leute sind. Entschuldigen müssen sich die andern, die Ketzer ”, schrieb einst Hermann L. Gremliza in „Konkret“. Wenn Religion öffentlich wird, wenn sie nicht mehr „Privatsache“ bleibt, wenn Religion missioniert, muss „linker Geist“ aktiv werden. Sigi Zimmerschieds „Kardinal daschlogn“ ist diesbezüglich sicherlich die „letzte“ Lösung. 2) „Links“ ist – Kapitalismuskritik, die zuerst den eigenen bürgerlichen Staat kritisiert, der den Reichtum von unten nach oben lenkt, ebenso zu erkennen, dass privater Produktionsmittelbesitz mit Ausbeutung verbunden ist. Redliche Kritik am Kapitalismus ist nicht zu verwechseln mit der Suche nach Sündenböcken, zumeist in kapitalistischen Krisenzeiten. Die „Heuschrecken-Kampagnen“ sowie die Unterscheidung zwischen „raffendem“ und „schaffendem“ Kapital ist rechte Kapitalismuskritik, die von „Linken“ kritisiert werden muss. Die Kritik am Finanzkapital steht meist im Zentrum einer regressiven Kapitalismuskritik, die die Totalität des kapitalistischen Systems verkennt. Die Hetze gegen “Heuschrecken” läuft immer Gefahr, die Systemkritik zu personalisieren und dadurch die kapitalistische Vergesellschaftung nicht als „gesellschaftliches Verhältnis“ mit abstrakten Zwängen zu begreifen, sondern die konkreten Akteure als persönlich Verantwortliche für Elend, Armut und Ausbeutung auszumachen. Diese Kritik am Kapitalismus von „rechts“ muss aufs Schärfste kritisiert werden. 3) „Links“ ist – die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit, Umweltschutz, „Gleichheit vor dem Gesetz“, internationaler Verteilungsgerechtigkeit und Chancengleichheit. 4) „Links“ ist, nicht zu Schweigen bei Diskriminierung von Migranten, Ausländern, wie aktuell bei den Aussagen des den bayerischen Ministerpräsidenten, oder anderen Minderheiten. Diese Solidarität darf nicht mit falscher Toleranz verwechselt werden. Toleranz oder Wegsehen bei religiös motivierter Frauenunterdrückung kann keine „linke“ Position sein. Nicht zu Schweigen etwa über die Verbrechen des iranischen Regimes oder anderer islamfaschistischer Gruppierungen oder Regierungen ist ein entscheidender Grundpfeiler linker, humanistischer Gesinnung. Denn die Menschen im Nahen Osten benötigen dringend eine grundlegende Veränderung der Verhältnisse. Zu einer Demokratisierung und Liberalisierung in Ländern wie Iran, Pakistan oder Saudi Arabien gibt es keine Alternative. Aufgabe der „Linken“ ist daher die Unterstützung und Solidarität emanzipatorischer Bewegungen wie der Frauen- und der Studierendenbewegung in den arabischen und islamischen Ländern. „Linke“ verurteilen die iranischen Antiisrael-Konferenzen mit Holocaustleugnern, sie verurteilen den Terror der islamischen Sittenpolizei dem Schwule und Lesben unterliegen, die für ihre Lebensweise gehängt oder gesteinigt werden. 5) „Links“ ist – sich für den Frieden einzusetzen. Bei militärischen Auseinandersetzungen zu Erkennen wer Aggressor und wer Angegriffener ist. Jedes Land hat das Recht sich zu verteidigen. Die entsprechenden Aggressoren, wie beispielsweise Hamas oder Hisbollah, müssen benannt und geächtet werden. 6) „Links“ ist – zu erkennen, dass Revolution kein Selbstzweck ist, da Revolution das äußerste Mittel zur Herstellung einer gerechten Gesellschaft ist. Sie ist die letzte Maßnahme zur Verwirklichung menschenwürdiger Zustände. „Am Anfang aller Brüderlichkeit steht der Brudermord, am Anfang aller politischen Ordnung steht das Verbrechen. Für diese uralte, durch die Jahrhunderte getragene Überzeugung, von dem Beginn aller menschlichen Angelegenheiten ist die Annahme eines Naturzustandes nur eine letzte, theoretisch gereinigte Paraphrase, und sie klingt noch deutlich nach in Marx’ berühmten Ausspruch von der Gewalt als der mächtigen Geburtshelferin der Geschichte.“, schrieb Hannah Arendt bereits 1963. Revolutionäre Befreiungsbewegungen wie etwa die FMLN, FSLN oder der Vietcong, die gegen Militärdiktaturen oder imperialistische Aggression kämpften, verdienten die weltweite Solidarität der “Linken“. „Revolutionäre“ Bewegungen, die einen Gottesstaat fordern, egal ob dieser fundamental christlich oder islamfaschistisch ist, sind nicht ansatzweise emanzipatorisch, sondern fanatisch reaktionär. Ein Gottesstaat wie der Iran mit seinen Ayatollahs, ist deshalb aufs Schärfste zu kritisieren. Die siegreiche sozialistische kubanische Revolution von 1959 ist dagegen ein gutes Beispiel für eine gelungene soziale, emanzipatorische Umwälzung. 7) „Links“ ist – ein klares Geschichtsbewusstsein, als Teil der Bildung, mit der Reflexion der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Ohne das Verstehen der „Urkatastrophe“ des 1. Weltkrieges, der Fehler der Weimarer Republik, der Machtübernahme der Nationalsozialisten, den „einmaligen“ Verbrechen der NS-Diktatur, kann aktuelle Politik nicht begriffen werden. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, nach dem 11. September haben sich die Welt-Koordinaten verschoben. Das überholte antiimperialistische Weltbild kann die Welt nicht mehr erklären. Aus diesem Antiimperialismus heraus bezeichnen „Betonlinke“ Israel als imperialistischen Brückenkopf der USA. Dieser Antiimperialismus führt über den Antizionismus zu linkem Antisemitismus. Die Mehrheit der heutigen Feinde Amerikas sind keine nationalen Befreiungsbewegungen mehr, die fortschrittliche Ziele verfolgen, sondern antimoderne, frauenfeindliche, antisemitische Bewegungen des politischen Islam. Deutsche Nazis haben die Anschläge am 11. September in New York City bejubelt, deutsche Nazis sind mit Palästinensertüchern auf Anti-Israeldemos unterwegs und erneuern ihren Hass auf Israel und ihre Solidaritätsaufrufe mit den Palästinensern. Wenn „Linke“ in „dasselbe Horn blasen“, entsteht eine neue, alte verhängnisvolle, Querfront. 8)“Links“ ist – die Solidarität mit Israel, weil der arabische Antisemit, den Tod des Juden will. Die Liquidierung Israels steht auf dem Programm der PLO, der Hamas, des Dschihad und der Hisbollah. Wo es Stärkere gibt, steht die „Linke“ auf der Seite der Schwächeren und stärker, das sind die Araber, stärker an Zahl, stärker an Öl, stärker an Dollars, stärker ganz gewiss, an Zukunftspotential. Deshalb ist, wie Jean Améry schreibt, die Allianz des antisemitischen Spießer-Stammtisches mit den Barrikaden wider die Natur, Sünde wider den Geist. Leute wie Horst Mahler oder Ahmadinejad können sich die Umfälschung des kruden Antisemitismus zum aktuellen Anti-Israelismus gestatten: Die Linke muss redlicher sein. Es gibt keinen ehrbaren Antisemitismus. Israel ist auch die Staat gewordene Konsequenz aus Auschwitz. Israel ist der erste und einzige Zufluchtsort für von Antisemiten verfolgte Juden. Eine Linke die sich ernst nimmt, muss solidarisch mit Israel, dem „Juden unter den Staaten“, sein, dazu gehört auch die Solidarität mit den überlebensnotwendigen Verteidigungsmaßnahmen Israels. Deshalb stellen sich redliche Linke dem alten und neuen Antisemitismus oder Antizionismus entgegen, solange es diesen gibt. Dass die israelischen Regierungen seit der Staatsgründung auch Fehler machten ist unbestritten, aber welche Regierung machte keine Fehler? 9) „Links“ ist – internationalistisches Denken und die Kritik an der eigenen bürgerlichen Gesellschaft, weil der unsägliche, speziell der deutsche, Nationalismus mit seiner irrationalen Leidenschaft und seinen Vorurteilen, die Quelle für Mord und Totschlag war und ist. „Linke“ sind als gesellschaftlich geprägte Individuen potentiell so nationalistisch und antisemitisch wie die sie umgebende Gesellschaft. Der deutsche Nationalismus, mit seiner fehlenden oder unzureichenden Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und seinen Verdrängungsmechanismen in Form eines sekundären Antisemitismus und Antiamerikanismus ist leider auch innerhalb der Linken virulent. Die Aufgabe einer sich als radikal begreifenden und historisch reflektierenden politischen Linken wäre es, sich dieser Auseinandersetzung zu stellen und den Antizionismus als das aufzuweisen und zu denunzieren, was er ist. 10)“Links“ ist – Widerstand gegen bornierte (vermeintliche) Mächtige, Betondeppen, Kadavergehorsam und gegen die „Gefangenschaft eindimensionalen Denkens“, weil dies zum einen, das Gebot der Stunde ist und außerdem auch mächtig Spaß machen kann. Der bayerische anarchistische „Paradelinke“ Oskar Maria Graf wollte während des ersten Weltkriegs, 1916 weg von der Front und weg vom Krieg. Er verweigerte einen Befehl, riskierte die standrechtliche Erschießung, gaukelte dabei Wahnsinn vor und kam dafür später in eine Irrenanstalt. Er sollte abgeurteilt werden, in seiner Zelle trat er in einen 10-tägigen Hungerstreik, nach einigen Tagen meinte der Leutnant: “ Warum essen sie denn nichts? Sind sie krank? “ Graf: „Nein, aber ich habe keinen Appetit.“ Leutnant: „So, so … wissen Sie auch, dass man Sie zum Essen zwingen kann?“ Graf:“ Jawohl Herr Leutnant, aber nicht zum Appetit“
Wenn „Linke“ die DDR eventuell zu blauäugig, 20 Jahre nach dem Untergang der selbigen, beurteilen, ist dies zwar betrüblich, aus meiner Sicht jedoch nicht verwerflich. Wenn „Linke“ im Jahre 2010, dagegen ein islamfaschistisches Regime, wie den Iran und ihre Ausläufer wie Hamas und Hisbollah huldigen, Israel ihr legitimes Verteidigungsrecht absprechen, so halte ich dieses Verhalten dagegen, alleine wegen seiner Aktualität und der „deutschen Vergangenheit“, für verwerflich. Wenn „Linke“ im Gleichklang mit geschätzten 70 % der restlichen Deutschen den Juden Auschwitz nie verzeihen wollen, müssen diese „Linken“, notfalls schmerzhaft, auf ihre Vorurteile hingewiesen werden. Wenn „Linke“ in der aktuellen Wirtschaftskrise, Sündenböcke im Finanzkapital suchen, ähnlich wie die Nationalsozialisten um Gottfried Feder, oder die Lösung der aktuellen Probleme in Esoterik, Biologismus, Schwundgeld, Anthroposophie oder in einer Volksfront mit Nationalsozialisten suchen, muss auf die Sackgasse dieses gefährlichen Denkens hingewiesen werden. Wenn scheinbar „linke“ Medien diese „Sackgasse“ in Print- und Onlineartikeln sowie Leser-Foren befördern, machen sie sich freiwillig zum Komplizen der jeweiligen obskuren Ansichten. 1974 schrieb Jean Améry : „Die Linke ist Wirklichkeit in ihrer Praxis, nicht in ihrer Dogmatik. Ihr letzter Referenzpunkt ist ein Humanismus, den aus verqueren theoretischen Gründen in Frage zu stellen, im günstigsten Fall Spinnerei ist, im üblen Sabotage. Denn es ist der Humanismus keine bürgerliche Mystifikation, wenn auch sein Banner von der Bourgeoisie nur allzu oft zu Mystifikationszwecken rauschend geschwenkt wurde.“
Jenseits von Schuld und Sühne
Veröffentlicht von fidelche in Antisemitismus, Jean Améry am Juli 28, 2010
In seinem Vorwort zur Neuausgabe von „Jenseits von Schuld und Sühne“ schreibt Jean Améry 1976 in Brüssel: “… Was geschah, geschah. Aber dass es geschah, ist so einfach nicht hinzunehmen. Ich rebelliere: gegen meine Vergangenheit, gegen die Geschichte, gegen meine Gegenwart, die das Unbegreifliche geschichtlich einfrieren lässt und es damit auf empörende Weise verfälscht. Nichts ist vernarbt, und was vielleicht 1964 schon im Begriff stand zu heilen, das bricht als infizierte Wunde wieder auf. Emotionen? Meinetwegen. Wo steht geschrieben, dass Aufklärung emotionslos zu sein hat? Das Gegenteil scheint mir wahr zu sein. Aufklärung kann ihrer Aufgabe nur dann Gerecht werden, wenn sie sich mit Leidenschaft ans Werk macht.“
Geboren wurde Jean Améry als Hans Mayer am 31. Oktober 1912 in Wien. Er war der Sohn eines jüdischen Vaters, welcher nie in einer Synagoge war und im ersten Weltkrieg fiel. Seine Mutter war katholisch. Bis zum „Anschluss“ Österreichs an das „Dritte Reich“ 1938, lebte Améry, der sich bis dahin nicht als Jude fühlte, als intellektueller Agnostiker und Bohemien. Die „Nürnberger Gesetze“ machten ihn zum Juden. Als seine Mutter wieder heiratete hätte er seinen jüdischen Vorfahren verheimlichen können, da sein neuer katholischer Stiefvater im „Amt“ arbeitete. Zu dem Zeitpunkt hatte er allerdings eine jüdische Freundin. Er entschied sich für die Freundin und die Flucht aus Österreich, schloss sich dem kommunistischen Widerstand in Frankreich und Belgien an. Am 23. Juli 1943 wurde Jean Améry beim Verteilen von antinazistischen Flugblättern verhaftet. Im belgischen Festungslager Breendonk entdeckte die Gestapo seine jüdische Abstammung. Er wird bestialisch gefoltert. Im Januar 1944 kam er nach Auschwitz. Jean Améry überlebte als Schreiber in einem Werk der I. G. Farben. Im Februar 1945 wurde er in das unterirdische Arbeitslager Mittelbau-Dora nach Thüringen verlegt. Im April kam er nach Bergen-Belsen, wo er zwei Wochen später befreit wurde. Jean Améry war 642 Tage in deutschen Lagern gewesen. Seine Auschwitznummer 172 364, schrieb er einst, lese sich kürzer als der Pentateuch oder der Talmud und gebe zudem gründlicher als diese Auskunft über eine jüdische Existenz. Am 17. Oktober 1978 wählt er den Freitod mittels Schlaftabletten in Salzburg. Auf dem Wiener Zentralfriedhof ist sein Grab.
„Jenseits von Schuld und Sühne“, „Unmeisterliche Wanderjahre“ und „Örtlichkeiten“ gehören zu den autobiografischen Büchern von Jean Améry. Mit seinem Werk „Jenseits von Schuld und Sühne“ , dass er 1966 veröffentlichte, wurde Jean Améry weltbekannt. Das Buch mit den „Bewältigungsversuchen eines Überwältigten“ besteht aus sechs Essays. „An den Grenzen des Geistes“ beschreibt die Unterschiede der Gefangenen in Auschwitz. In der Hierarchie der Gefangenen kamen erst die Schwerverbrecher, Kommunisten und so fort, an absolut letzter Stelle waren die Juden. Kommunisten und religiöse Gefangene konnten, laut Améry, Folter und Grausamkeit „besser“ ertragen als er, der Atheist. Sie glaubten an „etwas“, dass ihnen Kraft gab. Den Glauben an „Gott“ oder die „Gewissheit“, dass der Kommunismus auch nach den KZs noch bestehen wird und die Kameraden einen rächen werden, hatte Améry nicht. Er, der Humanist und Atheist, konnte dies nicht. Gedichte und philosophische Betrachtungen sind im KZ wertlos. Améry wusste, dass seine Mithäftlinge einer Illusion erlagen, aber zumindest einer sehr beruhigenden und hilfreichen. Über das System der Tortur schreibt Améry: „Wenn man von der Tortur spricht muss man sich hüten, den Mund zu voll zu nehmen. Was mir in Breendonk zugefügt wurde, war bei weitem nicht die schlimmste Form der Folter. Man hat mir keine glühenden Nadeln unter die Fingernägel getrieben, noch hat man auf meiner nackten Brust brennende Zigarren ausgedrückt. […] Staunen über die Existenz des grenzenlos in der Tortur sich behauptenden anderen und Staunen über das, was man selber werden kann: Fleisch und Tod. Der Gefolterte hört nicht wieder auf, sich zu wundern, dass alles was man je nach Neigung seine Seele oder seinen Geist oder sein Bewusstsein oder seine Identität nennen mag, zunichte wird, wenn es in den Schultergelenken kracht und splittert. Dass das Leben fragil ist, diese Binsenwahrheit hat er immer gekannt, und dass man es enden kann, wie es bei Shakespeare heißt, „ mit einer Nadel bloß“. Dass man aber den lebenden Menschen so sehr verfleischlichen und damit im Leben schon halb und halb zum Raub des Todes machen kann, dies hat er erst durch die Tortur erfahren. Wer der Folter erlag kann nicht mehr heimisch werden in der Welt. Die Schmach der Vernichtung lässt sich nicht austilgen. Das zum Teil schon mit dem ersten Schlag, in vollem Umfang aber schließlich in der Tortur eingestürzte Weltvertrauen wird nicht wiedergewonnen.“ Im letzten Kapitel, „Über den Zwang und Unmöglichkeit, Jude zu sein“ schreibt Jean Améry: „Ist es so, das ich, der einstige Auschwitzhäftling, dem er wahrhaftig nicht an Gelegenheit gefehlt hat, zu erkennen, was er ist, was er sein muss – ist es denkbar, dass ich immer noch kein Jude sein wollte, wie vor Jahrzenten, als ich weiße Wadenstrümpfe trug, eine lederne Kniehose und unruhig mein Spiegelbild beäugte, ob es mir wohl einen ansehnlichen deutschen Jüngling zeige? […] Ich war, als ich die „Nürnberger Gesetze“ gelesen habe, nicht jüdischer als eine halbe Stunde zuvor. Meine Gesichtszüge waren nicht mediterran-semitischer geworden, mein Assoziationsbereich war nicht plötzlich durch Zauberkraft aufgefüllt mit hebräischen Referenzen, der Weihnachtsbaum hatte sich nicht magisch verwandelt in den siebenarmigen Leuchter. Wenn das von der Gesellschaft über mich verhängte Urteil einen greifbaren Sinn hatte, konnte es nur bedeuten, ich sei fürderhin dem Tode ausgesetzt. […] In meinem unablässigen Bemühen, die Grundkondition des Opferseins auszuforschen, im Zusammenstoß mit Zwang und Unmöglichkeit, Jude zu sein, glaube ich erfahren zu haben, dass die äußersten Zumutungen und Anforderungen, die an uns gestellt werden, psychischen und sozialer Natur sind. Dass mich solche Erfahrung untauglich gemacht hat zu tiefsinniger und hochfliegender Spekulation, weiß ich. Dass sie mich besser ausgerüstet haben möge zu Erkenntnis der Wirklichkeit, ist meine Hoffnung.“
„Jenseits von Schuld und Sühne“ ist zudem als Hörbuch erschienen, gelesen von Peter Matic. Amérys Texte sollten zur Pflichtlektüre für „gefährdete“ Linke werden. Der Améry Essay „ Der ehrbare Antisemitismus“, sowie neuere Améry-Texte zwangen viele „Freitagsblogger“ zur Offenbarung ihrer Ressentiments. Bis zu seinem Freitod, 1978 schrieb Améry gegen linken Antisemitismus an. „Die Allianz des antisemitischen Spießer-Stammtisches mit den Barrikaden ist wider die Natur, Sünde wider den Geist, um in der vom Thema erzwungenen Terminologie zu bleiben. [..] Es gibt keinen ehrbaren Antisemitismus.“ Eine Linke, die sich ernst nimmt, muss Israel verteidigen. Angesprochen ist jedoch nicht nur die Linke. Die Palästina-Frage war das gemeinsame Band für die einstimmige Resolution zur Lage in Gaza. Für die Protagonisten der nationalen Selbstfindung im Bundestag, von der FDP bis zur Linkspartei, könnte sich die Lektüre Jean Amérys sicherlich auch lohnen.
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